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Bewusstsein

29. November 2020

«Wie geht es der Fredliebenden heute?» Fred sah Anna besorgt an. Anna antwortete nicht. Sie öffnete den Kühlschrank und überlegte, auf was sie Lust hatte. «Es zieht», sagte Fred. «Bitte?» «Es zieht, schliess bitte den Kühlschrank.» Freds Stimme klang ungeduldig. «Kann ich nicht. Wenn ich den Kühlschrank jetzt schliesse, könnte es ein Fehler sein.» Fred seufzte. «Ich bin bereits im Stadium der Beobachtung einer mentalen Aktion», fuhr Anna fort. „Seit wann ist das Öffnen und Schliessen eines Kühlschrankes eine mentale Aktion?» Fred schritt langsam auf Anna zu und legte sanft die Hand auf ihre Stirn. «Fieber hast du keines.» Dann schloss er den Kühlschrank. «Wer weiss, vielleicht habe ich jetzt gerade doch Fieber.» «Nein Liebes sei beruhigt.» «Wie kannst du so sicher sein? Du beobachtest etwas, das du zuvor wahrgenommen hast. Deine Beobachtung kann dich täuschen!» «Ich habe doch soeben die Hand an deine Stirn gehalten!» «Das war vor fünf Sekunden.» «Du glaubst, die Körpertemperatur ändert sich so rasch?» «Darum geht es nicht. Jede mentale Aktion ist intentional. Und sie ist nur in der Gegenwart wahr. Wenn die Wahrnehmung beobachtet wird, gehört die Handlung bereits der Vergangenheit an. Und die gibt es bei mentalen Aktionen gar nicht! Dein Bewusstsein kann dich also täuschen.» Fred setzte sich auf den Hocker, der neben der Bar stand. Er schaute Anna aufmerksam an. «Was siehst du?» fragte Anna. «Dich», antwortete Fred. «Bin ich real, oder existiere ich nur, weil du mich siehst», fragte Anna. Fred schloss die Augen. «Ich sehe dich immer noch», sagte er. «Nur weil du dich an mich erinnerst, erwiderte Anna. Das ist trügerisch.» «Nein Anna, das ist nicht trügerisch. Ich bin ein Annasehender, auch mit geschlossenen Augen. Und ich spüre dich.» «Spüren? Was ist denn das für eine Wahrnehmung? Kann man sich darauf verlassen?» «Ich schon», sagte Fred. «Und ab sofort verbiete ich Dir, diese Online-Vorlesung über Franz Brentano weiter zu besuchen.» Seine Stimme klang ernst. «Wie willst du das denn machen?» «Ich kündige unsern Vertrag bei der Telekom. Darauf kannst du dich verlassen.»

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